Wie ein 20 Jahre alter Laptop das Kaffeekochen nicht lernen wollte

An dieser Stelle sollte eigentlich die heroische Geschichte erzählt werden, wie es mir gelungen ist, einen knapp 20 Jahre alten Highscreen-486er-SLC-33-Laptop mit 2 MB RAM, dem Linuxkernel und GNU-Programmen in einen furiosen Server mit einigen sehr nützlichen Konsolenanwendungen zu verwandeln. Leider begannen die Probleme schon bei der Suche nach einer geeigneten Installationsmöglichkeit, denn außer einem 1,44 Zoll Diskettenlaufwerk und einer seriellen Schnittstelle hatte der alte Highscreen nicht viel zu bieten.
Angefangen hatte es mit einer Suche nach günstigen alten Rechnern auf einer allseits bekannten Onlineplattform. Mit dem Filter für Netbooks/Notebooks, Bald Endend und einer Obergrenze von 10 Euro ging ich auf Schnäppchenjagd. Nachdem ich einige Pentium-II-Laptops mit 32 MB RAM im Visier hatte, fiel meine Aufmerksamkeit plötzlich auf einen 486er-Highscreen-Laptop, einen wirklichen Oldy. Viel war aus der Beschreibung nicht zu entnehmen und weder die Größe des Arbeitsspeichers noch die Festplattengröße waren bekannt. Eine weitere Suche im Internet brachte einen wahrscheinlichen Arbeitsspeicher von 4-8 MB zu Tage und dass es sich vermutlich um eine CPU der Firma Cyrix handeln musste.
Für knapp 6 Euro + Versandkosten erhielt ich den Zuschlag und eine Woche später machte ich mich daran herauszufinden, was ich da eigentlich ersteigert hatte und wo die Grenzen einer sinnvollen Linuxinstallation lagen.
Das BIOS gab sich am Anfang wenig aussagefreudig. Mal waren Werte falsch eingestellt oder fehlten ganz, so dass es anfangs so aussah als wäre nicht einmal eine Festplatte eingebaut worden. Die Angabe "Mainprocessor 386" half auch nicht viel weiter. Zu guter Letzt musste ich erkennen, dass weder acht noch vier sondern lediglich 2 MB RAM im Inneren steckten und für einen Netzwerkbetrieb zusätzlich ein Adapter für RJ45 notwendig war.
Zum Glück hatte ich noch eine alte Rettungsdiskette meiner ersten Linuxdistribution RedHat 8.0 in auffallend roter Farbe herumliegen. Im Bootmenü ließen sich verschiedene Optionen an den Linuxkernel übergeben, darunter auch die Option "lowmem", die mir bei nur 2 MB RAM vernünftig erschien. Nach einigen klackernden Geräuschen des sich drehenden 1,44 Zoll Laufwerks, kam aber leider nur die nüchterne Nachricht

Less than 4 MB RAM
System halted

Auch mit verschiedenen anderen Optionen oder mit dem normalen Bootvorgang ging es nicht weiter. An dieser Stelle ahnte ich schon, dass es schwieriger als gedacht werden würde überhaupt etwas herauszufinden.
Danach begab ich mich auf die Suche nach Linuxdistributionen bei Wikipedia.org oder anderen Projekten, die versprachen mit 2 MB RAM zurecht zu kommen. Auch diese Liste mit kleinen Linuxdistributionen war hilfreich. Obwohl es viele Linuxsysteme gab, die geringe Anforderungen an die Hardware hatten, war bei den meisten dennoch bei 6-8 MB RAM Mindestvoraussetzung Schluss. Vielleicht am nächsten dran waren Tiny Core Linux oder Slitaz. Im Grunde genommen kamen aber nur Distributionen in Frage, die sich auch über 1,44 Zoll Disketten installieren ließen. Außerdem sollten grundlegende Linuxprogramme vorhanden sein.
Schließlich landete ich auf der Seite von BusyBox, einem Programm, dass viele verschiedene UNIX-Werkzeuge in einem Programm enthält und gemessen an der Vielseitigkeit winzig klein ist. Zahlreiche Distributionen setzen BusyBox standardmäßig ein darunter auch Debian. Wer schon einmal während einer Debian-Installation auf die Konsole gewechselt ist, wird BusyBox schnell finden.
Auf der Produktseite von BusyBox gab es eine weitere Liste mit interessanten Projekten, die für eine absolute Minimalinstallation in Frage kamen. Wenn man es richtig machen möchte,gibt es auch die Möglichkeit sich sein eigenes BusyBox-System zusammenzustellen.
Trotzdem es viele gute Hinweise gab und sogar eine Anleitung wie man seine eigene Linux-Bootdiskette erstellt, suchte ich immer noch nach einer fertigen Distribution, die ohne Murren auch 2 MB RAM akzeptieren wollte.
Die letzte Chance schienen Small Linux und Basic Linux zu sein, wobei erstere tatsächlich 2 MB Arbeitsspeicher als Minimalvoraussetzung versprach. Scheinbar wird Small Linux aber schon seit Jahren nicht mehr weiterentwickelt und nur der erste Link auf der Small Linux Downloadseite führte mich zum Download der Version 0.75. Mit dem Programm dd und zwei 1,44 Zoll Disketten erstellte ich dann eine Boot- und Rootdiskette.

dd if=Pfad_zur_Image_Datei of=/dev/fd0

Tatsächlich konnte ich mit der Lowmem-Einstellung hier zum ersten Mal mehr über den Laptop herausfinden ohne ihn komplett auseinander nehmen zu müssen. Dabei stellte ich fest, dass eine 60 MB Festplatte von Western Digital vorhanden war. Als es aber an das Wechseln zur Rootdiskette kam und sogar schon "Welcome to Small Linux" erschien, wurden alle weiteren Versuche mit einer Fehlernachricht beendet.

can't load library libc.so.5
can't map /lib/libc.so.5

Vielleicht war die Datei libc.so.5 nur defekt, eventuell saß das Problem auch tiefer. An dieser Stelle war vorerst Schluss. Nachdem ich die Festplatte im Bios aktiviert hatte und von dort bootete, landete ich bei einer alten DOS-Installation. Der DOS Befehl msd verriet leider auch nicht mehr über das Innenleben des Highscreen-Laptops. Letztlich versuchte ich es noch einmal mit dem DOS-Programm chkcpu, welches einen 386-Prozessor mit einer Taktfrequenz von 20 MHz ermittelte. Wie das mit dem Logo eines 486 SLC 33 zusammenpasst, konnte ich mir nur so erklären, dass die Hybrid-CPU von Cyrix nicht richtig erkannt worden war oder hier tatsächlich ein wahrer Oldtimer vor mir stand.
Hierher und nicht weiter. Ich hatte noch in Erwägung gezogen die Festplatte auszubauen und mit Hilfe von debootstrap ein Debian-Komplettsystem zu installieren oder ein in VirtualBox erzeugtes Image mit dd auf die Festplatte zu schreiben.  Auch im FTP-Archiv von Debian war ich unterwegs und habe mir dort mit der alten Version Hamm Startdisketten erstellt. Leider kam es zum gleichen Ergebnis wie mit der RedHat-Rettungsdiskette.
Alles in allem hat es Spaß gemacht nach Möglichkeiten zu suchen um einen 20 Jahre alten Laptop wieder zum Laufen zu bringen. Fairerweise muss man aber auch sagen, dass 2 MB Arbeitsspeicher zu wenig sind um irgendetwas Sinnvolles damit anzustellen. Die absolute Untergrenze sehe ich nun bei 4 MB RAM besser aber 8 MB. Neben der interessanten Einsicht, dass es immer noch Projekte gibt, die sich mit solch alter Hardware beschäftigen, habe ich nun ein paar Ideen bekommen wie man seine eigene Mini-Linuxdistribution erstellen könnte. Einen schnellen und einfachen Weg gibt es aber bei dieser Minimalkonfiguration nicht.
Mein Tipp ist deswegen auch nach preisgünstigen Pentium Laptops mit 32 MB RAM und mehr Ausschau zu halten. Teilweise gibt es diese schon zwischen 10-20 Euro zu haben und es eröffnen sich gleichzeitig zahlreiche Verwendungsmöglichkeiten. Zum Kaffeekochen bleibe ich bei meiner Kaffeemaschine.
Und so sah ein Laptop vor 20 Jahren mit Monochrom Display aus.

13 Replies to “Wie ein 20 Jahre alter Laptop das Kaffeekochen nicht lernen wollte”

  1. also .. was mich bei deinen Artikeln zur „Rettung“ bzw. Wiederbelebung alter Systeme extrem irritiert, ist, dass du NIE was von Free-DOS erzählst. Ist dir das nicht bekannt, hast du damit schlechte Erfahrungen gemacht, oder was sonst hält dich davon ab, Bootdisks mit Free-DOS statt irgendwelchen Micro-Linux-Krücken zu verwenden?
    cu, w0lf.

  2. Hallo W0lf
    Danke für deinen Tipp. Du hast recht, ich habe Free-DOS noch nie benutzt. Als ich den Artikel geschrieben habe stand ich auch gerade bei Linuxdistributionen, die sich mit älterer Hardware beschäftigen, am Anfang. Mein Schwerpunkt ist nach wie vor moderne Linuxsoftware auf ihnen zum Laufen zu bekommen und bei allen anderen Rechnern ist mir das bisher auch gelungen.
    Ich warte immer darauf, dass jemand in den Kommentaren seine Geheimtipps hinterlässt und mich in neue Richtungen stößt. 😉 Ich nehme Free-DOS mal auf die Liste.

  3. Zum Cyrix Prozessor:
    Zitat WikiPedia:
    Der 486SLC kann als i386SX mit einem abgespeckten 80486-Befehlssatz und zusätzlichen 1 KiB L1-Cache beschrieben werden. Vom 80386SX wurde die Anschlussbelegung und somit auch der 16 Bit breite Datenbus und der auf 16 MiB beschränkte physikalische Adressraum übernommen. Wie der i386SX und 80486SX verfügte der 486SLC nicht über einen eingebauten mathematischen Koprozessor, man konnte aber – im Gegensatz zum 80486SX – die mathematischen Koprozessoren des i386SX, etwa den i387SX oder einen dazu kompatiblen mathematischen Koprozessor nutzen. Aufgrund des älteren und leistungsschwächeren Businterface und des kleineren L1-Caches war die Leistung der CPU nicht mit der Leistung des i486SX vergleichbar, gegenüber dem 80386SX ergab sich aber ein gewaltiger Performance-Schub, der viele Hersteller dazu animierte, ihre alten 386SX-Mainboard-Designs mit dieser neuen CPU aufzurüsten und als Billigangebote unter einer 486er-Bezeichnung auf den Markt zu bringen – eine Strategie, die von Anwendern und der Fachpresse oft auch als Etikettenschwindel angeprangert wurde.
    /Zitat
    Außer für FreeDOS, wäre dieser Rechner noch für OS/2 gut, oder MenuetOS. Des weiteren kann mann auch noch Minix 3.x darauf zum laufen bringen (oder halt Minix 2.x falls der RAM tatsächlich zu wenig sein sollte).
    MfG Fusin

  4. Es IST möglich.
    Im Wesentlichen hast du folgende Optionen:
    1. – Linux
    2. – Minix
    3. – BSD
    4. – DOS/Windows 3.1
    ad 1. Die Distribution, die du suchst, nennt sich „smalllinux“. Man KANN sie, v.a. in älterer Version wie 0.7.5 oder 0.5.0, mit 2 MB installieren. Sie akzeptiert einfache Packages aus Slackware 3.2. Ich habe sogar aus den Tiefen des Internets ein passendes GCC ausgebuddelt; aus Slackware wiederum nahm ich gcl (GNU Common Lisp). Es ist eine wirklich gute kleine Distro. Ab 4-8 MB RAM kann man schon den größeren Cousin ins Auge fassen – Basic Linux, mit Lynx und GUI.
    ad 2. Eine sogar hervorragende Variante, die aber sehr mit der Hardware zickt, ist Minix. Wenn man mit wenig zufrieden ist, klappt das sogar ganz ausgezeichnet. Es gibt auch eine Version, die von DOS aus startet.
    ad 3. Dies ist die optimale Variante. Ein altes FreeBSD (2.x serie) oder ein altes NetBSD (1.5.x ist die älteste Version mit präkompilierten Packages) wirken Wunder. Man kann sie auf so wenig RAM nicht installieren, aber – hier kommt der Clou – man kann sie BETREIBEN: Man kann nämlich eine IDE Platte im dd-Modus in einem größeren Computer formatieren und installieren; dd-Modus heißt, es gibt keinen MBR, kein anderes OS kann auf die Platte, ABER dafür sind jedwede Größenbeschränkungen irrelevant. Ich selbst habe einen 368er mit 4MB RAM und… 60 GB IDE Platte. Aber den ganzen Platz zu nehmen ist nicht empfehlenswert, weil dein fsck ewig bräuchte…
    ad 4. Lach ruhig, aber nichts schlägt in Wahrheit ein uraltes Windows an Nützlichkeit auf solchen Maschinen. Man kann Dokumente editieren und Tabellenkalkulation betreiben, wovon du ansonsten nur träumen kannst. FreeDOS wäre auch anzudenken.

  5. Vielen Dank für deinen Kommentar!
    Ich denke heute würde ich als erstes zu FreeDOS tendieren, da sowohl die Performance als auch der Funktionsumfang ideal für diese älteren Laptops sind und immer noch ein paar neue Funktionen dazukommen.
    Small Linux hatte ich ja im Beitrag schon erwähnt. Es kommt mit Sicherheit in Frage, wäre für mich aber nicht mehr erste Wahl, da es nicht weiterentwickelt wird.
    Bei den BSDs und Minix habe ich Nachholbedarf, sollte man auf jeden Fall ausprobieren!
    Windows käme nicht in Frage, da ich nur Freie Alternativen benutzen möchte und es würde bei 2 MB RAM auch nicht wirklich gut laufen. Dafür gibt es ja FreeDOS. 🙂
    Danke für das Feedback. Die Möglichkeiten sind da. 🙂

  6. Sorry, das mit Smalllinux habe ich irgendwie komplett überlesen! Schade, dass es nicht geklappt hat.
    Man kann mit FreeDOS aber extrem viel unsinnigen und lustigen Spaß haben – es gibt quasi ALLE Programme, die man braucht… ganz zu schweigen von alten Spielen…

  7. da wir hier noch einen gaanz alten PC haben, für den wir eine Wiederbelebung schon lange planen- und überhaupt, las ich den Artikel mit riesigem Interesse und natürlich hatte ich meinen Spaß daran. toll erzählt. Für FreeDOS wird sich mein Mann sicher interessieren, kürzlich hatte ich allerdings rausgelesen, dass es nur für ganz bestimmte Aufgaben sinnvoll sei überhaupt mit freeDOS zu experimentieren. Da werde ich also mal umdenken. Immerhin sind hier ja die Eckdaten und das Innenleben bekannt. Einiges der alten Sachen haben wir einem engagierten Dozenten geschenkt, der sich große Mühe gibt, Erwachsenen auf dem 3. Bildungsweg Begeisterung für Computertechnik zu wecken. Doch mit dem Rest wollten wir gerne noch ein wenig herumprobieren. Und Antiquus schreibt ja auch interessantes dazu
    bis dann

  8. FreeDOS kenne ich seit ein paar Monaten nun auch etwas besser und es gehört tatsächlich zu den Betriebssystemen, die man sich für alte Rechner merken sollte. Man kann es auch problemlos in einer schon vorhandenen Linuxdistribution ausprobieren. Ich hatte FreeDOS das letzte Mal im Dezember 2011 vorgestellt.

  9. Hallo,
    ja unbedingt, und man sieht wieder einmal, dass es immer auch auf die Sichtweise des Anwenders ankommt, wenn es darum geht, etwas neues zu beurteilen. Man darf sich nicht mit einer Einschätzung zufrieden geben, und schon gar nicht mit googles selektiver Suche, wenn man den dingen auf den Grund gehen will.
    Ich werde auf das Freedos unbedingt zurückkommen, da wir gerade ein paar neue Wohnräume übernommen haben, da wird dann der alte Rechner auch endlich ein Plätzchen bekommen, und wenn ich darin nur meine Kochrezepte und Gewürzmischungen oder Sauerteigprozeduren ablege, da wir in diesem Bereich noch kein Internet haben/brauchen. Ich habe mich seinerzeit sehr für den Amiga interessiert, den sich jemand in der Familie zulegte und mit riesiger begeisterung führte ich immer den Befehl Preferences aus, weil das Ergebnis umwerfend war. Ich hab immer bedauert, dass mir der Job keine Zeit ließ die Kenntnise zu vertiefen, und ganz schnell kam dann ja Windows – wo ich bei 98 endlich einen eignen PC hatte. Auch mit dos habe ich mich befasst, aber erst viel später, da gab es dos schon nur noch als kleines Fenster jenseits vom Menue unter Zubehör/Wartung, und war dann von den Möglichkeiten fast erschlagen worden. 😉 Mein Mann kennt sich aber sehr gut mit DOS aus. Und da sehe ich schon mal eine Möglichkeit für gemeinsame Experimente kommen.
    Langer rede kurzer Sinn: Dank der hier nachfassbaren Erfahrungen, bleibt FreeDos jetzt im Hinterkopf bis es sich umsetzen lässt. Beharrlichkeit ist mein zweiter Vorname

  10. Hallo Apo, danke für deine tollen Artikel.
    Ich habe gesehen dass der Laptop einen Parallel-Anschluss hat. Mittels Laplink-Kabel lassen sich Dateien über Parallel-Ports kopieren, also z.B. ein Festplattenimage.
    Das dauert ewig, ist aber sicher einen Versuch wert. Ich hatte dafür ein uraltes DOS-Programm benutzt (Norton Commander-Paket?). Es gibt sicher auch Linux- oder FreeDOS-Tools dafür.
    Schöne Grüße
    Sebastian

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